Über den Bau des St. Georgsturmes informiert ein einzelnes Blatt, das dem ersten Kandeler Kirchenbuch beiliegt und im Zentralarchiv der Evangelischen Kirche der Pfalz in Speyer aufbewahrt wird:
1501
Als man zählt nach der hl. Christi Geburt 1501 ist der Glockenthurm zu Candel aufzusetzen angefangen worden. Wie solche Jahreszahl im Glockenthurm an einem Weihewasserstein deutlich eingehauen gesehen und gelesen worden, welcher vergeßen gewesen.
1512
ist der Altar im Chor ausgefertigt worden anno 1512
1519
Anno chri 1519 ist die Bildniß des h. Ritters Georgii gehauen in Stein besonders eingesetzt worden in den Glockenthurm
„Im 1519 Jahr ward ich gesetzt hierher fürwahr“
Daher gilt als sicher, dass im Jahr 1501 mit dem Bau des Glockenturmes begonnen wurde, nachdem in den Jahren 1468 bis 1475 die beiden Gemeindeherren bereits ein neues Gotteshaus “zu der Ehr der Mutter Gottes und des hl. Ritters Georg” erbaut hatten.
Im April des Jahres 1519 wurde der Glockenturm des neuen Gotteshauses an seinem Südportal mit einem Steinbild des Kirchenpatrons als krönender Abschluss geschmückt. Die von gotischem Baldachin überwölbte Figurennische, in der eine Georgsstatue gestanden hat, ist heute leer. Im 30jährigen Krieg zerstört, ist nur ein Stück eines dazugehörigen Drachens vorhanden. Die darunter angebrachte lateinische Inschrift aber lässt die geschichtliche Bedeutung des Kirchenbaues erkennen.
Der Karlsruher Oberlandesgerichtsrat Christ hat um 1875 dieser Inschrift folgenden Sinn gegeben:
„Sowohl auf gemeinsame Anordnung als auf Kosten der ruhmreichen Ludwige, beide Grafen des heiligen Amtes der Pfalz bei Rhein und Vettern aus bayerischem Herzogsstamm, wovon der eine nämlich sowohl des heiligen römischen Reiches Erztruchsess ist, als auch Kurfürst und Reichsverweser über die Hauptländer Deutschlands, Schwaben und die Rheinlande, da Maximilian neulich aus dem Leben geschieden – der andere aber Graf zu Veldenz – wurde dieses Bild des heiligen Ritters Georg im Jahr des Heils 1519 im Monat April gestiftet“
Heraldisch rechts von dieser Inschrift sind die Überreste der im Jahre 1795 durch französische Soldaten verstümmelten kurpfälzischen und Veldenzer Wappen.
Am Südportal des Glockenturms erkennen wir unter der Inschriftentafel ein Steinrelief mit dem Brustbild eines bärtigen Mannes, der seinen Kopf mit dem rechten Arm stützt und mit dem linken auf ein Schriftband deutet, auf dem die Worte stehen: „1519 wart ich hergsatzt vor waer“. Die Historiker nehmen mit Sicherheit an, dass es sich um ein Selbstbildnis des Bildhauers, vielleicht auch des Baumeisters handelt.
Der frühere Landeskonservator Dr. Medding hat an vorhandenen Steinmetzzeichen und stilistischen Merkmalen nachgewiesen, daß es sich wohl um keinen geringeren handelt, als um den Bildhauer Fritz Hammer, ein Mitglied der bekannten straßburgisch-hagenauer Steinmetzsippe. Ein ähnliches Selbstbildnis befindet sich noch heute im Museum in Hagenau.
Das Einzelblatt, über das der vorige Beitrag informierte, berichtet:
„Anno 1540 hat das Wetter u. Donnerstrahl in den gemeldeten Thurm eingeschlagen, dadurch der Kirchenmauer u. dem Thurm ober am Gang und herwärts Klüften gemacht daß mans mit großen starken Eißenstangen u. Klammern faßen müssen. Wie der Augenschein u. Jahreszahl noch zu sehen u. zu lesen ist verbessert worden 1550“.
Zur Erinnerung an dieses Unglück wurde an der Südseite des Turmes links vom ersten Turmfenster ein Gedenkstein eingelassen, der folgende Inschrift trägt: „Anno 1549 ist dieser Schaden geschehen, 1550 ist er ausgebessert worden."
Dr. Werner Esser